Ein Vorwort.
Texte sind selten endgültig fertig. Das gilt besonders für diesen Text. Er entstand während der Fahrt und hat daher eher den Charakter schnell gemachter Notizen als den eines fertigen Reisetextes. So schleichen sich sich auch Flüchtigkeitsfehler ein, besonders in Bezug auf die Rechtschreibung. Nichts ist überarbeitet, weil immer neue Eindrücke festgehalten werden wollen. Ich hätte natürlich diese Reise - viel später im Büro - nachträglich erstellen können. Doch dann hätte das Unmittelbare gefehlt und darauf kam es mir gerade an und so bitte ich Sie, die vielen Ecken und Kanten der Formulierungen zu entschuldigen. Die "Unebenheiten" schleife ich vielleicht zuhause ab, aber vielleicht lasse ich auch alles so. In dieser Form ist der Text authentisch - und das soll ja auch so sein. Mal sehen, für was ich mich entscheide.
Aufgrund der Länge dieser Reise und der besuchten Regionen in Russland sind meine unterwegs gemachten Notizen und kleinen „Mitbringsel“, z.B. Gegenstände wie Visitenkarten, Hotelrechnungen, Steine, Prospekte, Stadtpläne u.ä. noch nicht sortiert und geordnet.
Erschwerend kommt hinzu, dass ja das Meiste in russischer Sprache abgefasst ist und erst übersetzt werden muss. Alles zusammengenommen hat die Aufgabe, die kleinen Erlebnisse unterwegs, die sonst viel zu in Vergessenheit geraten, lebendig zu halten durch ihre Gegenwart und der über 1000 geschossenen Fotos. Die Erinnerung wird dann von selbst lebendig gehalten. Und mit diesen Daten unterliegt diese Webseite einer kontinuierlichen Veränderung/ Erweiterung durch mich, die dadurch eine immer größere Vielseitigkeit erfährt.
Die Herausforderung, unterwegs zu sein im größten Land der Erde, um den größten europäischen Strom von seiner Geburt in den Wäldern der Waldai Höhen mit dem Auto zu begleiten, der ins größte Binnenmeer der Welt - das Kaspische Meer - mündet und das westlich davon vom größten und höchsten europäischen Gebirgszug, dem Kaukasus mit über 5600 Metern Höhe begrenzt wird. Es geht neben der überall sichtbaren und fühlbaren der Größe dieses Landes auch um die Geburt, das Wachsen, das in die Breite gehen und schließlich um den Tod eines Stromes, dem nur Eines fehlt: Die Wildheit der Jugend und das Temperament der mittleren Jahre. Das bleibt ihm aufgrund seiner Quelle, die in nur rund 350 Metern über dem Meeresspiegel sein Wasser zu Tage treten lässt, verwehrt. Die Wolga hat kein Gefälle, dass ihrer Mächtigkeit gerecht würde. Sie ist ruhig und vielleicht gerade wegen dieser Ruhe wird der Strom auch "Mütterchen Wolga" genannt. Vielleicht ist es so. Vielleicht auch nicht, mir bleibt nur die Vermutung. Und noch etwas ist anders, als bei anderen Flüssen: Ihr Wasser ergießt sie in ein Binnenmeer, dessen Wasserspiegel 28 Meter unter Meeresniveau liegt und schon vor Wolgograd, über 600 km vor ihrer Mündung, fließt sie unter Meeresniveau!
Gegen diese Superlativen des russischen Riesenreichs ist ein Mensch wahrhaft klein und Zentimeter auf der Landkarte entpuppen sich als stundenlange Autofahrt. Das Umdenken müssen von westeuropäischen Maßstäben zu Größenordnungen, die nur der Ozean bereithält und noch übertrifft, beginne ich gerade zu lernen.
Noch kleiner und bescheidener wird ein Mensch, der es wagt, mit dem größten nur denkbaren russischen Sprachdefizit loszufahren,um es mit den erwähnten "Riesenhaftigkeiten" aufzunehmen. Ich ging das Risiko ein. Und doch bin ich mit meiner Behauptung unfair meinem Auto gegenüber. Nicht ich, mein Auto trug die Last und bewältigte Strassen, die manchmal ihre Namen nicht verdienen. Ihm bin ich zu Dank verpflichtet, wenn ich nur wüsste, wie das anzustellen wäre. Mit Motoröl war es versorgt, Der Reifendruck stimmte auch und auch die Kühlung war in Ordnung. Er könnte etwas größer sein, mein Kombi. Aber ich bin selbst kein Riese und so musste ich mich mit dem vielen Gepäck auf irgendeine Weise arrangieren.
Aber zuerst gilt es, ein anderes kleines Problem zu lösen, was im Zeitalter der Kreditkarte zuhause gar nicht auftritt. Es ist die Beschaffung von Bargeld. Englisch versteht weder der Bankomat noch die Menschen in diesem Teil des weitgehend menschenleeren Land, östlich von Lettland und so bleibt die primitive Zeichensprache übrig und immer kommt eine Lösung dabei heraus - nur kein Geld!
Das Fehlen von Geld schließt vieles aus, was unterwegs nur bar bezahlt werden kann. Zum Beispiel ein Restaurantbesuch in einer ländlichen Gegend. Später in Jaroslavl stellte meine tüchtige deutschsprachige Begleiterin diesen Mangel ab und durch sie lernte ich, welche Automaten überhaupt geeignet sind, Bargeld herauszurücken. Meine Kreditkarte war ein gesonderter Fall. Dummerweise hatte ich sie noch nie vorher benutzt, um Bargeld abzuheben. Ich glaubte, das wäre selbstverständlich und wurde eines Schlechteren belehrt. So war ich auf die EC Karte angewiesen und vorsichtshalber hob ich einen größeren Betrag in Rubel ab, den ich jetzt noch mit mir herumschleppe...Wieder was gelernt, wenn auch zu spät.
Die Anreise über Polen, Litauen und Lettland verlief problemlos, wenn auch die Straßen mit jedem Kilometer östlich von Warschau kontinuierlich schlechter wurden.
Dennoch, mit Ausnahme der polnischen langweiligen Tiefebene, nahm die Schönheit der Landschaft in Richtung der baltischen Länder zu. Hügel, kleine Seen und Holzhäuser säumten die immer einsamer werdende Straße und die Landschaft war so recht etwas für Naturliebhaber, denen Weltabgeschiedenheit nichts ausmacht. Mir gefiel es auch. Das sonnige Wetter tauchte alles in noch freundlicheres Licht, das Heu auf den Wiesen duftete, die Holzhäuser im ländlichen Bereich - für die ich so wie so eine unerklärliche Schwäche habe - hoben sich irgendwie heimelig gegen den blauen Himmel ab und beim Betrachten dieser lieblichen Landschaft vergaß ich gelegentlich sogar, den Fotoapparat zu zücken.
Nur die Straße machte mir zu schaffen. Die Straßen Reparatur Fachleute aber noch mehr. Ich bin kein Straßen Fachmann, aber wie in Litauen und Lettland Straßen erneuert werden, bezweifle ich, dass dies, was ich zu sehen bekam, dem Stand der Technik entspricht. Und ich hatte auch nicht den Eindruck, dass besondere Eile der "Arbeitenden" an den Tag gelegt wurde. Beim Anblick der eingesetzten Maschinen und der geschaffenen Umleitungen knirschte ich mit den Zähnen. Amateurhaft alles, wage ich zu behaupten und meine Wertung entsteht nur aus dem von mir gewonnenen Eindruck. Alles andere war gut in den Ländern, das Hotel in Polen erstklassig, die Unterkunft in Kaunas/Litauen eine Zumutung und in Rezekne/Lettland wurde ich wieder durch Erstklassigkeit verwöhnt.
Doch die baltischen Länder, die für mich nur nur Anreise waren und selbst attraktive Reiseziele sein können, waren nur "Durchgangsstationen. Mein Ziel und gleichzeitig der Beginn "einer Reise in der Reise", war die Wolga Quelle, die ich so schnell wie möglich erreichen wollte. Um dorthin zu kommen, dauerte es mehrere Tage und knapp 3000 km Straße und deshalb hatte ich es entsprechend eilig.
Und vor diesem Hintergrund beschränke ich mich auf das Einstellen von Fotos auf meiner Anreise durch die baltischen Staaten und lasse, wie später noch so oft, die Fotos sprechen.
1. bis 3. Reisetag
4. Reisetag
Der Grenzübertritt von Lettland nach Russland verlief erwartungsgemäß schleppend. Besser gesagt, ich war an der Grenze angelangt, bevor ich mir wirklich klar darüber war. Die Kontrollen waren in Lettland gründlich und in Russland nicht weniger, dafür in Russland aber freundlicher.
Man fand nichts bei mir, man nahm das Auto fast auseinander und fand immer noch nichts und plötzlich war man das unergiebige Spiel leid.
Nach vielen Fehlversuchen, die Zollerklärung in russisch auszufüllen, erinnerte man sich daran, das es auch Zollformulare in deutsch gab! So war der Rest eine Sache von Minuten. Immerhin fünf Fahrzeuge fertigte man an diesem Vormittag ab und jedes von ihnen benötigte rund 3,5 Stunden.
Danach fuhr ich Pskov nur deshalb an, weil es in der näheren Umgebung keine Hotels gab.
Den Umweg bereute ich nicht. Wetter prima, Hotel weniger prima aber nettes Personal und Stadt prima. Das 4 Sterne Hotel, in dem ich zum Abend speiste, war der Abschluss eines anstrengenden, aber in vieler Hinsicht erkenntnisreichen Reisetages.
Einige wenige Bilder sollen die Eindrücke untermauern.
5. Reisetag
Die Zeit verfliegt.
2500 bisher gefahrene Kilometer sind keine Kleinigkeit und die 700 davon in Russland gefahrenen Kilometer zählen mehrfach.
Ich übertreibe nicht. Das Fahrgestell des Autos wird es genau „wissen“ und zuhause vorzeitig neue Federn, Stoßdämpfer oder Sonstiges fordern. Es sind die „variablen Kosten“ einer solchen Reise, die später zu Buche schlagen. Manchmal erst dann, wenn die Reise längst von den Eindrücken anderer Reisen überlagert wird. Und trotz aller Bemühungen der Fahrzeugtechnik: Die Bandscheibe bleibt nicht von den Stößen verschont und vielleicht sind das die körperlichen „Spätkosten“, die man ungewollt zu zahlen hat, wenn man dieses russische Riesenreich befährt. Ich wollte es so, ich gewinne neue Eindrücke über Land und Leute und vielleicht bin ich künftig zuhause etwas weniger kritisch, wenn nicht alles so glatt läuft, wie gewollt und gewünscht.
Das gilt nicht nur für die Strassendecken…
Die Stadt Pskov - die hier im Bild nicht abgebildet ist - liegt an der Autostrasse von Lettland nach St. Petersburg. Ich musste dort, weit abseits meines Zieles übernachten, weil es rundherum in den wenigen Kleinstädten keine Hotels gibt! Oder Bruchbuden. Ich entschied mich gegen die Bruchbuden und für den Umweg von 150 km und übernachtete in der Stadt "Pskov" im Ambiente der Stalinzeit.
Vom Frühstück bin ich generell enttäuscht, je „höher ich nach Norden“ fahre. Entweder es gibt keinen Kaffee oder keine Gabeln oder beides fehlt und manches kommt erst dann, wenn ich aufbreche - oder überhaupt nicht.
Das Essen ist ohnehin so, dass ich die Auswahl zwischen Toast und Toast habe und deshalb überlege, das Frühstück ganz wegzulassen und mir den Kaffee selbst zu kochen. Habe Tauchsieder, Kaffeekanne, Filter und Kaffe ausreichend mit.
Fünfhundertfünfzig Kilometer fährt man schon zuhause nicht einfach so runter. Hier gelten andere Maßstäbe und so ist man ohne Problem aber mit viel Sitzfleisch 10 Stunden unterwegs.
Heute bin ich etwa die Strecke von Hannover nach München gefahren. Begegnet ist mir nichts. Es ist, ich wusste gar nicht, dass es so was gibt, eine fast menschenleere Gegend und das erklärt auch das Fehlen von Hotels. Ich musste eine Sweet nehmen - oder im Auto schlafen.
Fast keine Menschen leben
in der Taiga und die, die in den wenigen, überwiegend aus Holzhütten bestehenden Orten leben, scheinen auszusterben, denn die Häuser sinken in sich zusammen – vielleicht gemeinsam mit den Bewohnern oder kurz danach und entsorgen sich so von selbst. Und deshalb habe ich heute diesen Tag unter das Thema „Verfall“ gestellt. Alles verfällt. Alles. Selbst die Kirchen und wenn die Kirchen verfallen, wird auch der Mensch verfallen oder ist es schon oder wandert ab und flieht vor dem Niedergang.
Und deshalb wundere ich mich, doch noch einigen „jungen Gebliebenen“ zu begegnen. Das, was ich an Bildern einstelle, ist nicht ausgewählt. Es ist das, was so, wie abgebildet, generell zum Straßen und Landschaftsbild gehört und ich gebe zu, ich habe vieles nicht fotografiert, um die Menschen nicht zu brüskieren. Ich bin nicht abgebrüht genug, das Elend anderer für meine Zwecke zu verwenden. Es sind nicht schöne Fotos. Das können solche Fotos auch nicht sein, die den Niedergang eines Kulturraumes dokumentieren.
Kurz erwähnt werden soll die „Volga“ sein, die ich heute zum ersten mal 70 km nach der Quelle querte und ich war sehr überrascht, wie sie sich in der kurzen Distanz zum stattlichen Fluss gemausert hat. Die Quelle selbst ist morgen unter anderem mein Tagesziel.
6. Reisetag
Ich wache ständig zu früh auf, während der Reise. Um 3 Uhr geht die Sonne auf und erwärmt die Luft im Hotelzimmer, die ich zugemacht habe, weil es von draußen stank. Zwischen den Hütten und über die Gärten legte sich in der Nacht ein Schleier aus Rauch, der vermutlich aus den Holzöfen stammt, die hier die Heizung darstellen. Es muss auch im Juni noch geheizt werden, denn es ist hier, ungefähr 200 km westlich von Moskau immer noch nicht Sommer. Deshalb ist auch die Heizperiode für Wohnblöcke staatlich verlängert worden auf den 1. Juni und das reicht immer noch nicht aus. Die Leute frieren. Ich habe bisher Glück gehabt und die mir geschilderte Kälte nicht gespürt. Die ganze Fahrt bisher herrschten angenehme Temperaturen um 22 Grad. Dochso wird es nicht weitergehen, denn es ist Dauerregen angesagt.
Die Wolga Quelle war heute Teil mein Ziel und sie ist gleichzeitig der Beginn einer Reise durch eine Landschaft, welche die Wolga durchfließt, bis sie im Kaspischen Meer mündet. Der angekündigte Dauerregen setzte erst ein, als ich von der Wolga zurück zum Hotel in der Stadt Tver fuhr. Es war war eine Autofahrt durch eine Welt, die fast menschenleer scheint und auch ist. Dort, wo ein winziges Dorf inmitten des Grün auftauchte, herrschte Stille und es hatte den Anschein, dass es nur noch die Älteren gibt, die anspruchslos genug sind, um in ihren verwitterten Holzhäuschen bescheiden weiter leben zu können oder zu wollen.
Die Straße zur Quelle zweigt 20 km vor dem Ziel ins Unbefestigte ab und ich kann mir nicht denken, dass sie befahrbar bleibt, wenn es tagelang regnet. Dann kam ich an - und war sprachlos. Dort oben an der Quelle ist man dabei, in Parkplätze zu investieren, wie sie besser nicht erstellt werden könnten und sogar zwei Hubschrauberlandeplätze sind entstanden. Es sieht so aus, als sei beabsichtigt man oder besser gesagt - man hat schon damit begonnen - diesen touristisch interessanten Punkt inmitten der Wälder zu vermarkten. Mich würde nicht wundern, wenn in wenigen Jahren statt der alten Holzhütten moderne Hotels dort oben die Landschaft, in der sich Hirsch, Bär, Elche und Wolf Gute Nacht sagen, entstehen werden. Der touristische Ansturm war erstaunlich rege und so wundert mich, dass ich so gut wie kein Fahrzeug unterwegs getroffen habe. Wahrscheinlich bin ich vor dem Hauptstrom der Touristen aufgebrochen.
Vielleicht schaffe ich es noch, ein paar Fotos hinzu zu fügen, denn ich muss das Hotelzimmer räumen. Sonst später.
Ich habe es bis heute nicht geschafft, die Müdigkeit übermannte mich immer. Aber hier in Kazan, 1000 km östlich von Moskau, reiße ich mich zusammen um das anzufangen aufzuarbeiten, was schon 10 Tage zurück liegt.
Hier nun ein paar Fotos der Wolga Quelle und es Flusses, wie er schon wenige km später aussieht. Wasser gibt es in Hülle und Fülle und so ist es kein Wunder, dass schon 170 km von der Quelle entfernt der Strom schiffbar ist.
7,8,9. Tag der Reise,
Vorab: Die Bilder werde ich ausführlich beschreiben und wo die Fotos entstanden sind. die eindrücke überfluten mich und ich muss mir die Infos selbst erst wieder besorgen. Entweder aus meinen Aufzeichnungen oder - wahrscheinlich - von Ludmilla, die sie mir sicher gerne geben wird.
und kalendermässig der Dreizehnte dazu und so war dieser Tag ein Pech- und gleichzeitig ein Glückstag. Jedenfalls war dieser Tag abwechslungsreich Pech Tag sehr abwechslungsreich und vor allem aufregend.
Nach 119 km war heute vorübergehend Schluss mit der Fahrt durch "die grüne Hölle."
Ein mörderisches Schlagloch machte seinem Namen alle Ehre und mordete mir den rechten Hinterreifen und die Felge gleich dazu. Übles tritt bekanntlich immer zum falschen Zeitpunkt ein und wenn es dabei in Strömen regnet, fern jeglicher Zivilisation, ist es besonders schlecht. Doch es gab auch etwas Gutes im Pech.
Wie durch ein Wunder geschaffen, zweigte 10 Meter links von der Straße ein unvollendet gebliebener Wirtschaftsweg ab. Den erreichte ich auf der Felge und konnte so abseits von gelegentlich vorei rasenden Lastwagen das Rad wechseln. Aber ich nahm mir vor: Ohne ZWEI Reservereifen fahre ich vom nächsten Hotel Stop nicht weiter! Und dann kam die 7, die Glückszahl des siebten Reisetages ins Spiel.
Besser gesagt, es war eine Glücksfee Namens Ludmila, mit der ich mich schon von zuhause aus in Jaroslavl - einer Großstadt nordöstlich von Moskau - verabredet hatte.
Ludmila - eine Bekannte meines Freundes aus Alfeld - weit gereist und von großer Weltoffenheit - lehrt am Lyzeum Yaroslavl Fremdsprachen, ist stellvertretende Institutsleiterin und sie war es, die mir viele Türen öffnete und mit mir eine passende Werkstatt suchte, welche mir 2 Reifen bestellte und ein zweites Reserverad dazu.
Das war nicht alles. Sie hatte sich vorgenommen mir Russland so zu zeigen, wie es hinter den Kulissen aussieht und wie man auf dem Lande lebt. Wie die Kloster und Kathedralen heißen und wie der orthodoxe Glaube "funktioniert" und gelebt wird. Sie zeigte mir ihre Datscha, die in absoluter Stille inmitten eines im Grün versunkenen 50 Seelen Dorfes liegt, in dem selbst das Zwitschern gewöhnlicher Vögel die Stille zu stören scheint, das Singen der Nachtigallen aber Ludmila zum Einschlafen bringt. Das letzte sagte sie, das erste empfand ich im Naturparadies.
Sie zeigte mir Klöster, deren äußere Wuchtigkeit mit anderen Mitteln im Inneren fortgesetzt wurden und mir bei ihrer allgegenwärtigen Größe, die Sprache versagte. Der Regen konnte Ludmila nicht davon abhalten, ihr Vorhaben, mir Russland so zu zeigen, wie es "normale Reisende" kaum zu Gesicht bekommen, vorzustellen. Das ist ihr in überzeugender Weise gelungen und ich bin ihr zu größtem Dank verpflichtet.
Hier einige Fotos, die überwiegend Klöster und Kathedralen zeigen, die ich aber jetzt wegen der Anstrengung des heutigen Reisetages erst morgen oder übermorgen beschreiben werde. Mögen die Fotos so lange aus sich selbst heraus wirken, wobei die Qualität wegen des Dauerregens eher mangelhaft ist. Doch gegen die Naturgewalten hat man keine Handhabe.
10. und 11. Tag der Reise
Dieser Reisetag von Jaroslavl nach Nizny Nowgorod verlief genausso, wie die vorhergehenden - wieder im Regen und erst spät am Abend, als ich schon ins Hotelbett krabbeln wollte, brach die Sonne durch die Wolken, so dass ich das Fotografieren auf den nächsten Tag verschob. Das sollte sich rächen, denn morgens verschwand die Wolga hinter dichten Nebel und Regenvorhängen.
Dennoch, ich versuchte das Beste aus der Situation zu machen, um wenigstens ein paar Fotos mit nach Haus nehmen zu können. An der Reisegruppe, die mit mir nichts zu tun hat, ist erkannbar, wie es Strippen regnet und dass auch andere sich nicht davon abbringen lassen, sich die Sehenswürdigkeiten eines Ortes erklären zu lassen.
Der Kreml war mein Ziel. Er empfing mich kühl und feucht und verabschiedete mich nicht freundlicher, aber als ich Nizny Novgorod verlassen hatte, wurde es allmählich heller und heller am Himmel, blaue Flecken zeigten sich im eintönigen schwarzgrau, wurden größer und größer und bald übernahm nach tagelangem Dauerregen der Sommer das Kommando mit weißen Quellwolken am azurblauen Himmel und zauberte herrliche Motive an den Strassenrand.
Anblick, Draufblick - bloß kein Einblick - in fremde, schöne Fenster.
Bevor ich vom Fortgang meiner Reise schildere, die von sonnigem Wetter mit gelegentlichen, aber ansonsten unerheblichen Gewittergüssen gekennzeichnet war, lohnt es sich, einen Blick auf die Fenster der kleinen Holzhäuschen zu werfen, von denen ich viel zu wenige dieser Prachtstücke fotografiert hatte.
Wie konnte ich annehmen, dass diese Fenster seltener werden würden und im Süden Russlands kaum noch zum Straßenbild gehören. Doch auf dem Rückweg werde ich die Kamera für einen „zweiten Aufguß“ bereithalten.
Das, was ich bisher an Bildmaterial gesammelt habe – auch mit einem traditionellen Brunnen im Vordergrund – stelle ich als Sonderbeitrag ein.
Man kann, ja man muss auf einer Reise auch verharren, die Anblicke genießen, sich besinnen auf das Kommende und das Gesehene und Erlebte „sacken“ lassen und gedanklich sortieren.
Übrigens geben die Umrahmungen Hinweise auf die Gegend, in der sie angewendet werden. Auch diese Information lieferte mir Ludmilla, meine unermüdliche Führerin durch die russischen geographischen Besonderheiten.
Zurück in Deutschland, werde ich versuchen, mal sehen, ob ich Infos bekomme.
Kazan.
Wer nicht in Petersburg oder Moskau war, der war nicht in Rußland - hörte ich von russischen Reisenden, mit denen ich sprach.
Ich kann das nicht wirklich beurteilen, denn beide Städte "umfuhr" ich bewusst. Sie hätten meinen Zeitrahmen gesprengt, aber die Städte Jaroslavl und Kazan lassen Zweifel bei mir aufkommen und auch einige Städte weiter im Süden, sogar am Kaspischen Meer.
Vorab: Der Text ist nicht überarbeit. Er ist - so wie es neue Häuser im Rohzustand also Rohbauten - ebenso roh und muß noch "verputzt" werden. Ich arbeite gerade daran, aber er ist immerhin lesbar und nun mache ich mich erst mal an die Fotos. Auch die Beschriftung der Fotos hole ich nach - sie müssen erstmal für ein/zwei Tage für sich sprechen.
Mir fallen die Augen zu vor Müdigkeit.
Meine Reise setzte ich in Nizny Novgorod, wie schon beschrieben, bei regnerischem Wetter fort und erreichte die anderthalb Millionenstadt Kazan am späten Nachmittag nach vielen, vielen Foto Stopps unterwegs und so zog sich alles ziemlich in die Länge. Das tut es immer. Bin ich doch innerlich so "getrimmt", unauffällig für die überall lauernden Verkehrskontrollen zu bleiben und mich an die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten zu halten.
Es gilt 90 km/h außerorts. Doch erlaubt ist bis 110 km/h schnell oder langsam - wie man es sehen will - zu fahren. Dabei pendelt sich alles bei 110 ein und auch innerörtlich bleiben die vorgeschriebenen 60 bis 70 km/h straffrei. bis 8 Eine merkwürdige Regelung und man wollte sie schon zigmal abschaffen, was nie geschah. Das kommt mir entgegen. Aber nach wenigen Reisetagen habe ich ohnehin erkannt, dass die Fahr als Solche und nicht das Ziel die Reise ausmacht. Fährt man langsam, findet sich viel
"Festhaltenswertes" am schwarzen Band der Fernstrassen. Mich jedenfalls überholen fast alle Reisenden, und auf diese Weise halte ich die anderen Autofahrer und ihre Vehikel von "der Pelle." Denn was auseinanderstrebt, kann nicht zusammenprallen...
Das Hotel, welches mich in Kazan erwartete, war ein Luxustempel zum niedrigen Preis. Denn der niedrig notierende Rubel erleichtert die Reise enorm. Für 50 Cent/Liter Diesel umgerechnet fährt bei uns niemand sein Auto. Und waren die
Hotelpreise noch vor 2 Jahren in astronomischen Höhen, buche ich jetzt vier Sterne Häuser immer als Doppelzimmer, denn Einzelzimmer werden gar nicht angeboten, für 35 Euro umgerechnet pro Nacht. Das ist eine günstige Wechsekurssituation, die sich auch sonst positiv auswirkt. Nur Käse ist merkwürdigerweise teuer und Bier nicht billiger als bei uns.
Kurz ein Wort zur "Wegfindung."Ohne Navigationsgerät geht hier gar nichts. Mein Neues versagte seinen Dienst und ich war gezwungen, noch mal zum defekten Neuen noch ein Neues anzuschaffen.
Das dauerte eine halben Tag, aber es klappte und mir fiel eine Zentnerlast von der Seele. Wie schon gesagt: In die Städte findet man nicht rein und raus auch nicht und wenn doch, weiß man nicht, wohin zu fahren ist, denn die Schriften...Ich erspare mir weitere Erläuterungen zu der Schrift, die ich zugegebenerweise beginne, in Ansätzen lesen zu lernen. Bei Verkehrsschildern zum Beispiel. Im Fahrstuhl bei der Beschriftung. Beim Namensscchild des Hotelpersonals und bei vielen anderen Gelegenheiten, bei denen Zeit vorhanden ist, wie ein Kind Buchstaben für Buchstaben zu übersetzen und mit der nötigen Fantasie kommt manchmal auch was Vernünftiges heraus.
Aber nun zu Kasan. Mir fiel bei der Ankunft schon auf, dass die halbe Stadt auf den Beinen sein musste. Klar, König Fußball bestimmte die Stadt und das Volk und alles war auf den Beinen. Vielleicht auch die längsten Tage des Jahres. Vielleicht gab es auch noch andere Gründ. Fußball jedenfalls war es in jedem Falle und als ich am Tage der Abfahrt auf ein riesiges Monument aufmerksam wurde, was unten im Bild gleich zu sehen sein wird, da wusste ich, die vergangene Nacht an einem Nebenfluss der Wolga wurde dort zum Tag gemacht.
Die Müllwagen waren eifrig am Kehren und die aufgestellten Verkaufsbuden vor dem Monument ließen erahnen, dass diese Party noch lange nicht zu Ende ist!
Jetzt, am dreizehnten Tag der Reise, als ich diese Zeilen schreibe, habe ich in einem miesen Hotel in der 20. Etage übernachtet mit Blick auf die Wolga, die hier so breit ist, dass nur mit Mühe das andere Ufer zu erkennen ist. Das entschädigt für den Pferdestall, der sich Bad nennt...Und hier hatte ich eine Aufregung, die zum Abbruch der Reise hätte führen müssen, wenn nicht...
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Text und Fotos: Wolfgang Nieschalk