Wolfgang Nieschalk
        "Wer handelt, kann Fehler machen. Wer nicht handelt, hat bereits einen Fehler gemacht."

Festrede zum vierzigjährigen Bestehen des Kunstkrieses Laatzen von Wolfgang Nieschalk


Sehr verehrte Damen und Herren,


ich begrüße sie alle ganz herzlich und nehmen sie bitte meine besten Wünsche mit für das noch einigermaßen junge Jahr 2024.


40 Jahre Kunstkreis Laatzen - für mich ein gewichtiger Grund, diese lange Zeit seines Bestehens heute besonders hervor zu heben.
In unserer schnelllebigen Zeit sind 40 Jahre Bestehen ja schon eine Ewigkeit. Aber auch Beweis dafür, dass die Gründer des Kunstkreises sich viel Gedanken darüber gemacht haben müssen, damals hier in Laatzen ein auf Langfristigkeit angelegtes Projekt zu starten. Ein Projekt, dass sich - wie wir heute feiern dürfen - als Erfolgsmodell nicht nur durchgesetzt hat, sondern auch stetig gewachsen ist.


Gewachsen ist! Das ist das Erstaunliche. Gewachsen trotz zuletzt extremer Einschränkungen, die in der Corona Zeit ganze Gruppen zerrüttet und manchmal sogar ganz ausgelöscht haben. Eine Zeit, in der - wie wir alle beobachtet haben - die Menschen nicht nur untereinander sondern auch zu den schönen Dingen des Lebens wie der Kunst - mehr als nur Distanz wahrten. So, von allen Seiten stranguliert, fand Kunst – wenn überhaupt – nur noch im Kleinen statt.
Im Kleinen weitermachen, das war das Zauberwort. Egal wie, aber unter allen Umständen weitermachen.
Hier im Kunstkreis glühte das Feuer der Begeisterung unter der Oberfläche weiter und diese innere Glut – bildlich gesprochen - ließ die Kunst in Laatzen nicht untergehen. Zwei Beispiele sind mir persönlich bekannt und sie möchte ich erwähnen. Andere Kunst- und Kulturschaffende werden ähnlich gehandelt haben und ihnen allen sei Dank gesagt für ihren unbeugsamen Willen, die Kunst in Laatzen am Leben zu halten.


Die Theatergruppe um Stefanie Zebedies ist das erste Beispiel. Die Theatergruppe ist nicht nur wesentlicher Bestandteil des Kunstkreises, sie ist auch glänzendes Beispiel für ihren unerschütterlichen Willen, das Segment Theater durch die Bildung von Kleingruppen für den Kunstkreis am Leben zu halten.
Nach außen hin still, aber im Hintergrund umso mehr der Sache verpflichtet, wirkte diese Gruppe allen Corona bedingten Einschränkungen zum Trotz in den erlaubten Grenzen weiter, und hielt – es muss viel Herz bei jedem einzelnen dabei gewesen sein – auf diese Weise die Gruppe zusammen. Plante und realisierte Neues im Kleinen, und das Ergebnis dieser Zeit präsentierte sie uns nach dem Ende der Pandemie als großes Event!


Was für ein Einsatz! Was für Visionen hatten diese Menschen weiterzumachen in einer Welt, die in eine Art Schockstarre verfallen war. Bewundernswert.
Bewundernswert auch deshalb, weil überall - landauf landab - Kunst fast zum Fremdwort wurde. Arbeitslos gewordene Künstler wandten sich – des puren Überlebens willen - von der Kunst ab und versuchten, in anderen Branchen Fuß zu fassen. Und viele von ihnen sind der Kunst für immer verloren gegangen.


Wenn man schon nicht mehr zusammen kommen konnte, war es aber möglich, den Kunstliebhabern DAS kostenlos per Mail ins Haus zu schicken, was ihnen Freude machte und sie gleichzeitig auf ganz subtile Weise immer wieder an den Kunstkreis erinnerte.
Die Rede ist von den sogenannten Sonntagsgrüßen, meinem zweiten Beispiel für die Möglichkeit, Kunst auch dann zu machen, wenn eigentlich gar nichts mehr geht. Die unermüdliche Vorsitzende Monika Gorbuschin packte an, setzte sich an den Schreibtisch und versandte vierzehntägig an die ihr bekannten Mail Adressen Kurzgeschichten und Kolumnen von im Kunstkreis aktiven Autoren.


Als neues, eigenständiges Kunstsegment etablierte sich die Sparte Kurzgeschichten und Kolumnen – geschickt umschrieben als „Sonntagsgrüße aus dem Kunstkreis“ – auf Anhieb und erfreut sich seitdem immer größerer Beliebtheit.
Das die Sache ankam, wurde überdeutlich bei etlichen Gesprächen mit Mitgliedern und mehr noch Gästen hier im Kunstkreis - und auch außerhalb! Ich erfuhr über die Grenzen des Kunstkreises hinaus - bei den verschiedensten Anlässen - dass die Beliebtheit der Sonntagsgrüße in der Nach-Coronazeit geblieben ist. So wurden die sonntäglichen Geschichten -  wie ich schon sagte - fester Bestandteil des Kunstangebotes. Als Empfänger dieser beliebten Botschaften spreche ich ganz privat und sicher auch im Namen des Vorstandes den überaus kreativen Autoren Herrn Professor Hüper und einigen Mitgliedern des Calenberger Autorenkreises an dieser Stelle meinen Dank aus.


Der Kunstkreis Laatzen unter der Leitung der unermüdlich koordinierenden, planenden und alles zusammenhalten Vorsitzenden – Monika Gorbuschin - hat es geschafft, diese wohl gefährlichste Zeit seines Bestehens nicht nur zu überleben, sondern – nach Ende der  Pandemie - sogar noch auszuweiten und durch zusätzliche Kunstangebote noch mehr  Kunstinteressierte für den Kunstkreis zu interessieren.


Den orientalischen Tanz zum Beispiel.
Oder die Yoga Gruppe. Oder Quigong und Tai - tschi.
Und nicht zuletzt das große Projekt Kaleidoskop, welches seit 2012 zweimal jährlich in der Albert Einstein Schule - ein ganzes Wochenende lang Künstlern aller, aber auch wirklich aller Sparten - die Gelegenheit gibt, die übers Jahr entstandenen Kunstwerke einer interessierten Öffentlichkeit zum Kauf anzubieten.
Denn auch Kunst braucht ein Treibmittel um zu funktionieren. Und dieser Treibstoff heißt - wie in allen Lebensbereichen - Geld. Und so wurde das Kaleidoskop zur überaus wichtigen, unverzichtbaren Veranstaltung, um den Kunstbetrieb, den wir heute hier vorfinden, überhaupt noch finanzieren zu können.


Sie sehen, der Verein ist dynamisch und anpassungsfähig. Aber das alles ist nur möglich wenn – wie bei einem gut geführten Unternehmen - die Ziele klar definiert sind und die Geschäftsgrundlage stimmt. Und da bin ich wieder bei den Gründern dieses außergewöhnlichen Vereins.
Ihrer Weitsicht ist es letztlich zu verdanken, dass der Kunstkreis Laatzen heute - 40 Jahre später - ein halbes Menschleben später! – es immer wieder fertig bringt, neue Besucherrekorde bei Ausstellungen, Lesungen, Events und ähnlichem zu verzeichnen.
Mein Stöbern in die Chronik war geheimnisvoll wie der Blick in eine Schatzkammer. Alte, vergilbte Zeitungsausschnitte und uralte Fotos zogen meine Aufmerksamkeit auf sich - und auch die Frisuren der damaligen Damen. Dann hatte ich das Dokument, was ich suchte und in ihm wird berichtet, dass die Gründer sich am Montag, den 13.2.1984 um 19.00 Uhr, in der Gaststätte Leinemasch trafen, um diesen Verein zu gründen.


Eines dieser Gründungsmitglieder ist noch heute Mitglied im Kunstkreis und ich hoffe, Wilfried Rabe – damals als ganz junger Mann, wurde mir berichtet - ist anwesend.
Ist er hier? Wunderbar! Dann ist Herr Rabe gleichsam das lebendige Band, welches die Gründungsmitglieder von damals mit uns heute an diesem denkwürdigen Tag verbindet.


Vierzig Jahre Kunstkreis! Vierzig Jahre Kreativität - aber nüchtern betrachtet ist die 40 nur eine Zahl unter vielen anderen. Jeder von uns hat in dieser Zeit so viel erlebt, dass diese Zeit - von Ausnahmen und einschneidenden Ereignissen mal abgesehen - rückblickend und zusammengefasst nur noch als unscharfe Kette von Vorkommnissen erinnert wird. Deshalb ist es vielleicht hilfreich, diese lange Zeit von 1984 bis heute an Ereignissen von damals und auch zwischendurch etwas begreifbarer zu machen.


1984 wird in Deutschland das Anschnallen im Auto zur Pflicht. Das geschah nur und ausschließlich deswegen, um den Besuchern des neu gegründeten Kunstkreises  den Weg zu den Veranstaltungen sicherer zu machen.
Wer Zweifel hat, dem kann ich das nicht verübeln. Aber die 40 Jahre Anschnallpflicht sind verbürgt und mancher wird sich fragen:
„So lange ist das schon wieder her?“
Ja, und solange ist es auch her, dass dem Kunst - Fälscher der Hitler Tagebücher, Kujau, der Prozess gemacht wurde und ihn hinter Gitter brachte.
1984 war überhaupt ein besonderes Jahr. In jenem Jahr begann unsere Gegenwart durch Ereignisse, die schon Ende 1983 ihren Anfang nahmen aber erst in 1984 so richtig in Fahrt kamen.


Die Parallelen zu heute sind erstaunlich. Angst vor einer Pandemie, Angst vor Krieg, Energiekrise, Inflation und Waldsterben erhitzten schon damals die Gemüter.
Die heutige „Zeitenwende“ hieß damals „geistig moralische Wende“, und der Klimawandel hieß schlicht nur „Waldsterben.“
Alles also bekannt und vertraut, aber das Wichtigste war, dass zum Jahreswechsel 1983/84  die Regierungen in West und Ost begannen zu lernen: Wir müssen miteinander reden.
Es war der Anfang vom Ende des Eisernen Vorhangs. Die Nachkriegszeit wurde eingeläutet. Sonst wäre es nie dazu gekommen dass ein westlicher Künstler – ausgerechnet der, mag mancher denken – Udo Lindenberg nämlich, drei Monate früher unter den Augen des Stasi sein Rock Konzert „Sonderzug nach Pankow“ in Ost Berlin veranstaltete. Natürlich wurde eine Akte angelegt.


Der Hamburger Rocksänger spottete später so:
"In meiner Akte steht über meine Person:
'Seine Erscheinung ist geprägt durch eine typische, fast standardisierte Kleidung (Filzhut, Röhrenhosen aus Gummi, Halbstiefel und T-Shirts meist schwarzfarben) und durch eine bewusst fläzige und lässige Gestik.'
„Da sieht man mal, wie bescheuert die Stasi-Kontrollettis waren: Gummi? - Mensch, Jungs, ihr könnt ja nicht mal Leder von Gummi unterscheiden. Das war Leder!"


Erst fünfeinhalb Jahre nach Gründung des Kunstkreises Laatzen fiel die innerdeutsche Mauer.
Die Welt ging damals nicht unter, weil es wie fast immer einen Ausweg aus einem Dilemma gab. Und sie wird auch heute nicht untergehen trotz aller uns heute bedrückenden Vorkommnisse.
Der Kunstkreis wird sich ebenso weiterentwickeln und mehr noch als heute ein immer mehr in die Breite wirkendes Schaffen zur Freude der großen Kunst- und Kulturgemeinde bilden.
Ganz gleich wo sich die Kunstinteressierten befinden: Der Kunstkreis schlägt Brücken zu ihnen. Nicht mehr nur die Hildesheimer Str. 368 bietet Kunst und Kultur an. Auch im Stadthaus, im Familienzentrum oder im Park der Sinne wird den Künstlern des Kunstkreises ein immer wichtigeres Forum geboten, dass ihren hohen Ansprüchen gerecht wird. Und ich bin sehr optimistisch, dass dieser erfreuliche Trend sich fortsetzt.


Warum bin ich so optimistisch? Weil hier in Laatzen Kunst UND Lebenskunst gelebt wird.


UND - weil hier das Herz dabei ist!

 
 
 
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