Wolfgang Nieschalk
        "Wer handelt, kann Fehler machen. Wer nicht handelt, hat bereits einen Fehler gemacht."

Am 5. Dezember ist Schuhputztag

Vor dem Nikolaustag stehen die Schuhe im Mittelpunkt. Vor rund 1800 Jahren in der Türkei geboren, ist Nikolaus fast das ganze Jahr arbeitslos. Aber einmal im Jahr kommt er richtig in Schwung. Dann füllt er in nur einer Nacht Unmengen von Schuhen, die Enkel, Kinder und manchmal auch wir selbst - gelegentlich mit einem Augenzwinkern - erwartungsvoll vor die Haustüren stellen. Um das überhaupt schaffen zu können, hat er seit langem einen Helfer: Knecht Ruprecht.

Unbedingt müssen für diese Beiden die Schuhe geputzt werden. Erfreut sich diese Tätigkeit das Jahr über nur geringer Wertschätzung, wird am 5. Dezember das zur Pflicht, was sonst nur Last ist. Denn diese altehrwürdigen Männer haben weder grünen noch grauen Star. Ihr Blick ist "adlerscharf" und beim Nikolaus zusätzlich tausendachthundert Jahre lang auf Schmutz geschult. Selbst in tiefster Nacht entgeht ihnen nicht, wenn die "auf Geschenke wartenden Schuhe" im "Husch Husch Verfahren" geputzt wurden. Sie erkennen sogar Erdklumpen auch vom vorletztem Spaziergang auf matschigen Feldweg unter der nur oberflächlich aufgetragenen Schuhcremeschicht.

In solchen Fällen lassen sie eine Rute da. Wirklich! Glücklicherweise ist sie nur symbolisch gemeint, denn das Wesen der alten Männer ist zwar grummelig, aber gutmütig. Deshalb ist ihr Vergleich mit einer Radarfalle - die weder grummelig noch gutmütig ist, sondern immer nur eiskalt bestraft - relativ. Immerhin: Beide bezwecken auf ihre Art manchmal etwas.

Aber auch andere werfen einen Blick auf unsere Schuhe. Ein Schuster schaut fachmännisch und lässt sich von vergänglichen Glanz schiefgelaufener Galloschen nicht blenden. Er ist froh, sie ungeputzt zu bekommen. Dann färben sie nicht ab und über dass, was sich an Verkrustungen auf ihnen angesammelt hat, schaut er großzügig hinweg, denn eine Schusterwerkstatt ist - so wie eine Autowerkstatt - schließlich keine Ausstellungshalle.

Und so wundert es mich, wenn eine Schuster Innung mit ihren Tipps zur Schuhpflege rät, die Schuhe nicht nur zum Nikolaus, sondern "sogar mindestens alle zwei bis drei Wochen! - zu putzen!" Ich weiß, viele halten sich nicht mal daran. Aber sie werden zur Strafe niemals den Glanz erleben, den Schuhe, die täglich mit einem Zusatz zur Schuhcreme von gekochtem Kaffee oder einer frischen Zwiebel eingerieben, ausstrahlen. Auch Bier oder Wasser zaubern ein Höchstmaß an Glanz auf die Schuh Oberfläche und spuckt man auf die Bürste - ich weiß, das tun manche Männer und alle Soldaten - fangen die Schuhe sogar an zu glitzern.

Ich glaube, mein Großvater kannte alle "Schuhputzrezepte." Ich bewunderte ihn schon als acht- oder Neunjähriger, wenn er Sonntags die Straße herauf kam, um bei uns Kaffee zu trinken. Aber das Glänzen seiner Schuhe faszinierte mich und spornte mich an, es ihm nachzumachen.    

Vor einigen Wochen kam eine Frau nach einem Referat auf mich zu und fragte, ohne lange drum herum zu reden: "Putzt ihre Frau ihnen die Schuhe?" Ich war zuerst sprachlos, erholte mich aber und antwortete: "Nein, das tue ich selbst und zwar immer. Und damit die Absätze geputzt bleiben, ziehe ich zum Autofahren ein zweites Paar an." "Man sieht es," antwortete sie. Ich komme aus der Schuhbranche, immer fällt mein erster Blick auf die Schuhe."

Sie wäre enttäuscht, wenn sie den Blick meine Frau sehen könnte den sie mir nachwirft, wenn sie im Kellergang die abgefallene Erde von meinen Gummistiefeln zusammen fegt. Eine schlichte Rute im Stiefel wirkt gegen diesen Blick geradezu beruhigend!

 
 
 
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