Es gibt Leute, die gäben in eisiger Nacht ihr letztes Hemd für eine zerkratzte Grammophonplatte. Und sie würden Schulden machen, um in den Besitz des Baureihenschildes einer funkensprühenden Dampflok zu kommen. Damals mussten die oft stehend reisenden Fahrgäste sich an Handgriffen festhalten, die an Grenzenloser Sammlerstolz Ketten von der Decke hingen. So ein Ding sah ich bei einem Bekannten, als er mich stolz durch seine "Bahnsammlung" - wie er sie nannte - führte. Sein Kellergeschoss hatte er in ein Eisenbahn Museum verwandelt mit Vitrinen, in denen Bahnsteigkarten - die kennt heute kein Mensch mehr - oder gelbliche Pappfahrscheine ausgestellt waren. Oder Lederriemen ähnlich heutigen Hosengürteln, mit denen in den Zügen die Fenster herabgelassen - oder geöffnet wurden. Sogar ein Häufchen Ruß aus einem ausgemusterten Dampfross lag im Licht der Vitrinen Beleuchtung - vor Zug durch eine Glashaube geschützt - auf einem weißen Blatt Papier. Der Ruß, den man in die Augen bekam, wenn man sich beim Fahren aus dem Waggonfenster lehnte. Ich sah vergilbte Fotos von Heizern, aus deren rußgeschwärzten Gesichtern die Augen merkwürdig hell und fröhlich schauten. Und auch eine Riesenschaufel fehlte nicht, mit der der gefräßige Kessel mit Kohle gefüttert wurde. Kohlestücke glänzten fettig unter der Vitrinen Beleuchtung und über einen Waggonpuffer stolperte ich erst, als wir nach oben gingen. Hinter dem Haus - ich traute meinen Augen nicht - ragte ein Signalmast in den blauen Himmel und eine kleine Dampf- Rangierlok "schmückte" seinen Garten vor der Kulisse der fernen Alpen. "Die Lampen der Lok habe ich durch Attrappen ersetzt", erklärte er. "Sicher ist sicher."
"Der menschliche Sammeltrieb ist uralt", erzählte er bei einer Tasse Kaffee, für die mir seine Frau Kaffeesahne aus der Nachbildung eines Dampflok-Wasserkranes anbot. "Sammeln ist immer auch etwas Sehnsucht nach der Jugendzeit." Ein wahrhaft enthusiastischer Sammler, aber einer, der sich neben der eigenen, auch mit der Leidenschaft anderer auseinandergesetzt, ging es mir durch den Kopf, als er mit dem Paradies begann. "Ich weiß nicht ob Adam und Eva auch sammelten", fuhr er lachend fort. "Bei Noah aber ist der Sammlertrieb belegt. Seine Tiersammlung für die vorsintflutliche Arche ist noch heute in aller Munde und übertrifft durch ihre Menge sogar die Kunstsammlung von August dem Starken - Kurfürst von Sachsen - um Größenordnungen. Immerhin sammelte der in großem Stil Bilder für die weltberühmte Dresdner Galerie und sein Sohn August der III. blätterte allein für die Sixtinische Madonna zwanzigtausend Golddukaten auf den Tisch."
Schon auf dem weiten Weg nach Hause erwachte mein verkümmerter Sammlertrieb. Mir kamen die vielen alten Fotoapparate in den Sinn, die zusammen mit dem vergessenen Dia- Projektor ihre letzte Ruhestätte auf dem Dachboden gefunden hatten. Vielleicht ändert sich das, denn bei meiner geistigen Inventur wurde mir bewusst, dass es gerade unserer Generation vorbehalten ist, aus dem Krimskrams von vorgestern Sammlerkostbarkeiten von heute zu machen. Vielleicht wäre es klüger gewesen, die unmodernen Fliesen, Porzellanschüsseln oder Maggi- Flaschen der letzten siebzig Jahre zu sammeln und nicht wegzuwerfen. Verrückt? Ja, aber für den echten Sammler kann nichts verrückt genug sein! Aber oft sind es nicht mal die Antiquitäten selbst, welche den Sammler locken. Manchmal ist es sein Schönheitssinn, der ihm einen Gegenstand begehrenswert macht. Manchmal ein Sinn fürs Verrückte und meistens von allem etwas.